Industrie 4.0 und IIoT Startup Kooperationen – Hannover Messe Digital Days

Im zweiten Teil der Talkrunde im Rahmen der Digital Days der Hannover Messe dreht sich alles konkret um Kooperationen zwischen Startups, Unternehmen und Mittelstand, in den Bereichen Industrie 4.0 und Industrial Internet of Things. Im Interview mit Christoph Baier und Madeleine Mickeleit berichten Philipp Becker und Sigrid Rögner über ihre Erfahrungen in der Zusammenarbeit mit Startups. Sie erklären, was bei der Umsetzung von Digitalisierungsprojekten zu beachten ist, auf welche Hürden man trifft und wie man diese umgehen kann. Das Video zur Talkrunde in voller Länge finden Sie hier. Auf unserem Blog finden sie außerdem einen Artikel zu Fallbeispielen aus dem IIoT.

Christoph: Wenn wir erst einmal über die Rolle von Startups sprechen, braucht man diese überhaupt?  

Sigrid: Natürlich braucht man die, das ist ein klares Ja. Auch wenn man die ganzen Entwicklungen betrachtet die grade laufen, schaut wo der Mittelstand grade steht und welche Rolle Startups momentan übernehmen. Nicht umsonst werden relativ viele auch aufgekauft. Die Startups sind die mit den coolen Ideen und neuen Geschäftsmodellen, die uns dann vielleicht aufzeigen, welche anderen Arten von Einsatz es gibt. Einfach, weil sie aus Hochschul- oder Technologiebereichen kommen, aus Forschung oder Entwicklung. Wir sind bspw. ein Hardware Spezialist mit Kameras, und diese mit Software zu ergänzen ist eine Kombination, die wir eigentlich gar nicht leisten. 

Christoph: Also kann man sagen, dass die Startups da sozusagen Pionierarbeit leisten? 

Sigrid: Auf jeden Fall. Ich behaupte tatsächlich, dass eine disruptive Innovation ohne Startups gar nicht möglich wäre. Und wenn ich mir anschaue, wer jetzt anfängt Plattformen zu bauen, und Sachen hochzuladen und sie verkaufen kann, auch im Industriebereich, das sind auch wieder Startups. Ähnlich wie FlixBus im Automobilbereich, nur in die Industrie übertragen. Das ist jetzt auch ein Thema, wo der Mittelstand sich so schnell gar nicht herantrauen wird. 

Christoph: Welche konkrete Erfahrung habt Ihr denn in der Zusammenarbeit mit Startups im Industrie 4.0 Kontext gemacht?  

Sigrid: Einmal das Thema, was ich grade schon aufgegriffen habe, dass wir die Hardware Spezialisten sind und grade im Software Bereich sehr viele Startups sehen. Wenn dann andererseits Hardware bei den Startups auftaucht, bekommt man schnell nachgereicht, dass das gar nicht die eigentliche Idee war, sondern dass es nur gemacht wurde, weil sonst nichts da war. Und wir arbeiten unheimlich gerne mit Startups zusammen. Aber das Problem ist natürlich, auch für gestandene Unternehmen, das gar nicht immer voraussehbar ist, wie lange es die Startups noch gibt. Wenn ich mir für eine Prozess im Bereich Industrie 4.0 ein Startup reinhole, ist es natürlich ein Thema, ob es nächstes Jahr noch da sein wird. Das hört sich jetzt ein bisschen bitter an, ist aber tatsächlich ein Thema, bei dem man sich Gedanken machen und sich überlegen muss, wie man das abfedert. 

Christoph: Und welche Gedanken habt Ihr Euch da gemacht? Denn Ihr arbeitet ja regelmäßig mit Startups zusammen. 

Sigrid: Im Augenblick schauen wir uns Anwendungen an, das sind in der Regel Systemintegratoren, die im Prinzip in Kombination mit uns funktionieren. Wir vertrauen einfach darauf, dass die Startups die wir uns anschauen, so gut sind, dass sie es schaffen werden. Außerdem ist eine weitere Möglichkeit, wenn man wirklich stark mit den Unternehmen kooperiert, dass man im Notfall eine Software auch aufkaufen kann. 

Christoph: Philipp, wie sind Deine Erfahrung mit Startups im Industrie 4.0 Kontext? 

Philipp: Generell gibt es bei uns immer eine Schwierigkeit. Wir sind eben als klassisches traditionelles Maschinenbauunternehmen häufig nicht smart, schlank und flexibel genug, damit eine solche Zusammenarbeit wirkungsvoll funktioniert. Das liegt aber nicht an den Startups, das liegt in den allermeisten Fällen an uns. Und das ist glaube ich die größte Kür, wie man eine solche Zusammenarbeit wirklich hinbekommt. Wenn es dann bei uns heißt, mach vorher einen Projektbericht und das ganze muss am besten sofort passieren, dann ist das etwas, womit unsere eigenen Abteilungen geschafft haben zu leben. Was allerdings immer ein bisschen schwierig ist, ist wenn das dann mit externen Firmen der Fall ist, die ganz anders denken als wir, die teilweise auch ein bisschen besser denken. Aber betrachten wir z. B. die Startups die heute schon ein paar Jährchen älter geworden sind, bei denen ist es so, dass sie auch die etwas unflexibleren Wege eingeschlagen haben, weil sie es einfach müssen.

Christoph: Dann kommen wir zu einem weiteren Thema. Es geht ja auch darum, Wissen und Know-how zu Digitalisierungsansätzen zu teilen. Warum denkt Ihr, dass das für die europäische oder deutsche Wirtschaft wichtig ist? 

Sigrid: Da gibt es glaube ich zwei Ansätze. Das eine ist, wenn ich z. B. an die Bilder im KI-Bereich denke, da ist es ja so, dass die Kamera schlauer wird je mehr Bilder ich habe und je mehr ich trainiert habe. Da wäre es natürlich total toll, man könnte dieses Bildmaterial teilen. Das könnte aber schwierig werden, weil sicher die meisten Unternehmen nicht wollen, dass ihre Daten in irgendeiner Form rausgehen. Das ist natürlich immer noch ein Problem. Auf der anderen Seite ist es auch so, dass die Unternehmen anfangen zusammenzuarbeiten. Man sieht, dass niemand mehr nur einen kleinen Teil will, sondern man will die ganze Lösung haben. Dann muss man anfangen sein Know-how zu teilen, aber auf einer anderen Ebene. Das ist ein Thema, was im Augenblick, auch durch diese ganzen Acceleratoren, bei denen mehrere Unternehmen vorhanden sind, schon besser funktioniert als früher. 

Christoph: Philipp, was ist Deine Sichtweise darauf? 

Phillip: Interessant war grade besonders das mit dem Teilen von Daten. Wir reden inzwischen immer sehr inflationär von diesem Begriff, künstliche Intelligenz. Ich benutze ihn nicht, künstliche Intelligenz gibt es heute nicht. Inzwischen gibt es den Begriff der schwachen künstlichen Intelligenz, das ist der Abstrich der gemacht wurde, damit wir das Thema KI benutzen können. Aber wollen wir tatsächlich nach Definition eine künstliche Intelligenz haben, ist das Teilen dieser Daten von höchster Brisanz und absoluter Wichtigkeit. Denn wenn wir wirklich erste selbstlernend Systeme haben möchten, die mehr lernen können als das heutige Machine Learning, dann ist es eben auch wichtig, dass Systeme sich gegenseitig Informationen und Erfahrungen zuspielen, und dadurch besser werden. Das ist genau das, was wir mit der sogenannten starken KI oder Superintelligenz erreichen wollen, und da gehört es aus meiner Sicht zwingend dazu, dass eben Daten und Informationen geteilt werden. Aber vielleicht sind grade wir in Deutschland da ein bisschen konservativer, wir sind vorsichtiger mit unseren Daten. Das hat in vielen Bereichen ganz große Vorteile, wir sehen es aber auch häufig bei Digitalisierungsprojekten, dass dies Hindernisse sind, die oftmals nicht zwingend notwendig gewesen wären. 

Christoph: Könnt Ihr uns zum Abschluss Tipps und Tricks mitgeben, bezüglich Entscheidungen bei Digitalisierungsprojekten? Gibt es etwas, worauf man achten sollte und welche Hinweise und Erfahrungen könnt ihr teilen? 

Philipp: Wie ich das anfangs schon einmal gesagt habe, anfangen, Prozesse angucken, niemals die Aussage treffen: Das haben wir schon immer so gemacht“. Wenn wir es schon immer so gemacht haben, wissen wir überhaupt nicht ob wir es besser könnten. Ich werde immer ein bisschen hibbelig, wenn ich von jemandem höre: „Nein, das haben wir schon mal vor zehn Jahren ausprobiert“, „Das hat nicht geklappt“, oder das Leute sagen, „Das haben wir schon immer so gemacht“. Das sind eindeutig die falschen Wege, dieser Open Mindset ist glaube ich unheimlich wichtig. Da kommen dann auch wieder Startups ins Spiel. Wenn es die Möglichkeit gibt, dass jemand externes ohne die sogenannte Betriebsblindheit auf einen Prozess schaut, dann ist der ganz große Vorteil, dass er eben nicht weiß, dass es bereits anders probiert wurde. Er kann dann ganz anders und unvoreingenommen an ein solches Projekt rangehen, was absolut für die Startups spricht. 

Christoph: Sigrid, wie ist Deine Position zu diesem Thema? 

Sigrid: Ich kann mich da eigentlich nur anschließen. Denn das ist ja eigentlich, was ein Startup ausmacht. Das man nicht immer unbedingt nachdenkt, was man eigentlich machen müsste, um fertig zu werden, sondern tatsächlich auch mal probieren und testen. Und ich glaube, man kann sehr viel dabei lernen, wenn man sich mit Leuten unterhält die solche Themen bereits umgesetzt haben, auch bezüglich Fehlern die man vermeiden kann.

Madeleine: Ich muss Dir recht geben, und auch das man schnell in einem Tunnelblick gefangen ist, wenn man in einem Umfeld ist, in dem man sehr gut und sehr tief arbeitet. Da ist es ja auch sehr relevant mal von außen Input zu bekommen, oder? 

Phillip: Darum halte ich es z. B. auch für äußerst sinnvoll und wichtig, beim Digitalisierungsprojekt die ganze Wertschöpfungskette zu betrachten. Und wenn man mit offenen Ohren auf Mitarbeiter hört, kriegt man häufig schon die meisten Lösungen genannt. Wenn eine Software Lösung eingeführt wird, muss diese so einfach sein, dass der 18 Jährige Auszubildende damit klar kommt, aber auch der Rentner. Wobei der Rentner häufig technisch versierter ist als der Auszubildende, weil er schon viel mit dem PC gemacht hat, und das eben bei den Auszubildenden noch etwas schwierig ist. Unsere Sorgen gelten eher selten den erfahrenen Mitarbeitern. 

Madeleine: Welche sind Eurer Meinung nach die größten Regulatorischen Hemmnisse, um die digitalen Möglichkeiten auszunutzen? 

Sigrid: Ganz vorne würde ich tatsächlich die DSGVO sehen, weil sie halt sehr viele Einschränkungen mit sich bringt. Aber sonst sehe ich das genauso, wie wir eben schon gesagt haben. Man muss einfach anfangen und schauen wie man auch mit solchen Themen zurechtkommt. Da gibt es ja mittlerweile sehr gute Tools. Das ist das tolle, auch im Startup Bereich, wenn sich solche Hürden auftun gibt es relativ schnell einen, der das Thema dann erledigt hat. 

Madeleine: Philipp, was denkst Du dazu? 

Philipp: Ich sehe das ein bisschen anders. Die DSGVO ist aus meiner Sicht keine Hürde, es ist gut, dass wir sie haben. An einigen Stellen hakt es ganz bestimmt, ich will jetzt kein absoluter Verteidiger der DSGVO sein. Nichtsdestotrotz ist es natürlich so, dass das Recht auf persönliche Daten, die der Arbeitnehmer, sehr schützenswert ist. Vielleicht ist das für uns nicht nur ein Gesetz, sondern sogar eine Guideline, damit wir uns auch immer klar sind, dass wir nicht immer alles tun können was wir gerne wollten. Bspw. beim Thema Smartwatch, natürlich ist man technologisch in der Lage jeden Mitarbeiter, der eine Smartwatch trägt auf den Punkt und auf jedem Weg zu tracken. Das wollen wir aber nicht. Es geht auch darum, transparent mit den Mitarbeitern zusammen zu arbeiten, und zu besprechen, was technologisch möglich wäre, dass wir es aber trotzdem nicht machen wollen. 

Schauen Sie hier die Talkrunde zum Thema Industrie 4.0 der Hannover Messe Digital Days in voller Länge.

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