Kooperation bei E-Scootern: Startup TIER Mobility erobert deutsche Städte

Nach dem E-Scooter-Hype 2019 will TIER Mobility Elektro-Roller jetzt als kleines aber wichtiges Vehikel für mehr Nachhaltigkeit im deutschen Stadtverkehr etablieren. Dafür geht das Berliner Startup zahlreiche Kooperationsprojekte mit Stadtverwaltungen sowie lokalen Unternehmen, Vereinen und Institutionen ein. Wir haben mit City Manager Georg Grams über das Sharing-Modell von TIER gesprochen und spannende Einblicke in die Zusammenarbeit zwischen Startups und  kommunalen Entscheidungsträgern gewonnen.

Georg, was ist eure Vision bei TIER Mobility?

In Großstädten, aber auch in Mittel- und Kleinstädten, nimmt der Verkehr stetig zu. Dabei fahren viele Menschen nur kurze Strecken, ansonsten steht das Auto die meiste Zeit. Das ist natürlich nicht effizient. Mit unseren E-Scootern möchten wir eine Alternative bieten, indem wir vor allem „the first and the last mile“ überbrücken, das heißt Distanzen zum Büro, zum Bus oder zur U-Bahn. Unser Ziel ist es, den Mobilitätsmix europäischer Metropolen durch ein attraktives neues Vehikel zu erweitern und dabei zu helfen, die Innenstädte zu entlasten.

TIER Mobility gibt es erst seit 2018. In kurzer Zeit seid ihr enorm gewachsen und habt inzwischen über 500 Mitarbeiter eingestellt. Wie schafft ihr das eigentlich?

Tatsächlich war die Situation mit einigen Herausforderungen verbunden, sowohl personell als auch strukturell und logistisch. Aber wir haben ein starkes Team aufgebaut und haben gemeinsam alle Herausforderungen der letzten Monate gemeistert. Selbst die Corona-Krise haben wir so gut überstanden. Im Gegensatz zu anderen Anbietern, die ihre Flotten aus den Städten abziehen mussten, konnten wir mit über 40.000 aktiven Scootern auch während der Corona-Krise den Betrieb in fast allen Städten durchweg aufrechterhalten. Ein weiterer Punkt ist, dass unsere Investoren nicht nur Geldgeber sind, sondern echte langfristige Entwicklungspartner.

Wie wird euer Angebot von den verschiedenen Städten angenommen?

Einige Städte haben regelrecht darauf gewartet, dass ein junges Startup die Mobilität aufmischt. Andere sind noch etwas zurückhaltender. Generell bieten wir den Entscheidungsträgern der Städte individuelle Konzepte, um sie vom Mehrwert von Mikromobilität zu überzeugen. Wir sind zunächst in Österreich gestartet und dann als alle gesetzlichen Regelungen getroffen waren, in acht deutschen Städten. In Deutschland war das Thema vor einem Jahr noch komplett neu, aber wir haben in den letzten zwölf Monaten eine extreme Erfolgskurve hingelegt. Jetzt geht es darum, E-Scooter als Teil eines nachhaltigen Mobilitätskonzeptes langfristig zu etablieren und wir sehen schon im ersten Jahr massive Anstiege in der Akzeptanz.

Im Kontext von Sicherheit und innerstädtischer Ordnung wurden E-Scooter kontrovers diskutiert. Wie geht ihr damit um?

Wir haben Projektteams geschaffen, die sich damit auseinandersetzen. Daraus sind Vorschläge entstanden, die wir umgesetzt haben. Ein Beispiel ist unser faltbarer Helm. Helmpflicht besteht bei E-Scootern bisher nicht, aber in unserer App empfehlen wir seit Anfang an, einen Helm zu tragen. Wenn man den Scooter spontan nutzen möchte, hat man aber nicht unbedingt einen dabei. So entstand die Idee, den faltbaren Helm als neues Feature in unsern Service zu integrieren und damit einen Mehrwert für die Sicherheit zu schaffen.

Das Thema innerstädtische Ordnung ist ein Punkt, der in unseren Gesprächen mit Stadtverwaltungen immer wieder thematisiert wird. Deshalb haben wir einen Sensor verbaut, der uns anzeigt, ob ein Roller liegt oder steht. Zudem können wir Vorkehrungen treffen, damit unsere Roller nur in bestimmten festgelegten Bereichen geparkt werden können.

Über über unsere App und digitale Kommunikationskanäle arbeiten wir auch stets an der Aufklärung unserer Nutzer. Bei jeder Neuregistrierung in unserer App werden Nutzer mithilfe einer Serie an leicht verständlichen Erklärbildern, die auch nicht übersprungen werden können, auf die wichtigsten Benutzungs- und Verhaltensregeln hingewiesen. Dies beinhaltet auch einen Hinweis zu korrektem Abstellen und Parken der Scooter nach Beendigung der Miete. Im Zweifelfall sorgen unsere Außendienstmitarbeiter für Ordnung.

Du bist als City Manager unter anderem für die Kooperation mit der Stadt Halle zuständig. Kannst du uns ein wenig mehr darüber erzählen? Wie kommt ihr in Kontakt mit den Stadtverwaltungen?

Wir haben eine kleine Abteilung von Kollegen und Kolleginnen, die dafür zuständig sind den Erstkontakt zu den Behörden herzustellen. Das Team hat teilweise einen Hintergrund in der Politik, kennt sich entsprechend aus und ist gut vernetzt. Sobald dieser Kontakt dann steht, übernehmen City Manager wie ich die Organisation auf lokaler Ebene.

Was sind die ersten Schritte, wenn eine Kooperation zustande kommt?

In Halle haben wir uns zunächst auf ein Pilotprojekt bzw. eine Testphase geeinigt. Der Hallenser Oberbürgermeister hat das Thema an die Kollegen vom Stadtmarketing weitergegeben. Der Geschäftsführer des Stadtmarketings schlug damals vor, gemeinsam ein individuelles Konzept für Halle zu entwickeln. Die Hallenser kennen ihre Stadt schließlich am besten, sie wissen, wie sie pulsiert und welche Herausforderungen es gibt.

Wir sind aber auch selbst mit E-Scootern in Halle unterwegs gewesen, haben uns alles genau angeschaut, Fotos gemacht und die Erfahrungen in unser Konzept integriert. Durch das Pilotprojekt konnten wir zeigen, wie sich die Leute zu welchen Zeiten bewegen. Das war für die zuständigen Mitarbeiter sehr interessant. Wir konnten gegenseitig von unseren Daten profitieren und haben auf dieser Basis einen Plan entwickelt, der immer noch Bestand hat und weiter ausgebaut wird.

Was heißt das konkret?

Wir schauen immer, wie wir unseren Aktivitätsradius entsprechend der Anfragen von Unternehmen und Einzelpersonen vor Ort erweitern können. Zudem kommen durch die Kooperation mit den Städten auch Firmen, Vereine und Institutionen auf uns zu. In Halle sprach mich z.B. eine Hotelmanagerin an: „Wir haben 130 Zimmer, aber nur 30 Parkplätze. Können wir unseren Kunden nicht Ihre E-Scooter zur Verfügung stellen?“ Wir haben das getestet und so ist unsere nächste Kooperation in Halle entstanden.

Wie überzeugst du Entscheidungsträger, die mit dem Thema E-Scooter so rein gar nichts anfangen können? Wie geht ihr damit um, dass die Entscheidungsprozesse oft langwierig sind?

Oft ist es so, dass Kooperationspartner das Konzept und die Annahme des Konzeptes falsch einschätzen. Die sagen, das ist für uns nicht relevant! Ich nehme deshalb gern einen E-Scooter mit und schlage vor, vor dem Gebäude eine Runde zu drehen. Das überrascht und überzeugt in aller Regel.

Zudem versuchen wir immer, eine gewisse operative Handlungsbereitschaft vorzuweisen. Das heißt, wir zeigen den Behörden: Wir sind startklar, sobald ihr auch soweit seid. Wir bringen die nötige Erfahrung mit, wir haben ein Team vor Ort, wir haben ein Lager, wir haben die Flotte, wir sind vorbereitet und warten nur noch auf euer „Go“.

Kontakt

Webseite: https://www.tier.app/de

LinkedIn: Georg Grams

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