Coupled-Open-Innovation-Kooperationen zwischen Mittelstand und Start-Ups (Gastbeitrag)

Welchen Einfluss hat das Organisationsklimas auf den Erfolg der Kooperationen und wie sollte dieses gestaltet sein?
Der Begriff Mittelstand steht für viele sinnbildlich für den wirtschaftlichen Erfolg Deutschlands und gilt auch global als einer der Innovationstreiber unseres Wirtschaftsstandortes. Im vergangenen Jahrzehnt hat sich jedoch gezeigt, dass viele mittelständische Unternehmen zunehmend mit verkürzten Produktlebenszyklen und erhöhten Entwicklungskosten konfrontiert werden, sowie mit jungen, hoch innovativen Unternehmen (Start-Ups), die in bestehende Märkte eindringen. Dieser erhöhte Konkurrenz- und Innovationsdruck stellt viele Mittelständler vor enorme Herausforderungen.

Eine Möglichkeit diesen Herausforderungen zu begegnen, kann das Eingehen einer Partnerschaft mit Start-Ups darstellen. Solche Partnerschaften zur gemeinsamen Entwicklung von Innovationen werden unter den Begriff Coupled Open Innovation gefasst. Für beide Seiten ergeben sich aus den Kooperationen eine Vielzahl an Vorteilen, welche weit über neue Verkaufsmöglichkeiten und Kundenbeziehungen hinausgehen, da die Eigenschaften und fehlenden Fähigkeiten der Unternehmen meist komplementär zueinander sind. Sie können soweit reichen, dass Wettbewerbsvorteile erzielt werden und neue Geschäftsfelder erschlossen werden, sodass die oftmals mangelnde strategische Ausrichtung vieler Mittelständler minimiert werden kann. In Deutschland gibt es schon viele solcher Open-Innovation-Kooperationen. Umso verwunderlicher ist es jedoch, dass sich die meisten zwischen Konzernen und Start-Ups und nur sehr selten zwischen Mittelständlern und Start-Ups finden. Zudem ist nicht nur die Anzahl an Kooperationen niedrig, sondern auch die Zufriedenheit mit den Kooperationen vergleichswiese gering, sodass Unternehmen Potentiale dieser Art der Zusammenarbeit bislang noch nicht gänzlich ausschöpfen.

Aus den genannten Gründen beschäftigt sich eine Masterarbeit, verfasst an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt (WFI Ingolstadt School of Management), mit den Hindernissen und Barrieren in der Zusammenarbeit von Mittelständlern (50-499 Mitarbeiter) und Start-Ups. Dabei wurden insbesondere kulturelle und klimatische Unterschiede und Faktoren untersucht. Als Resultat wurde ein Idealzustand des Organisationsklimas für beide Seiten definiert, damit Kooperationen dieser Art erfolgreicher und zufriedenstellender verlaufen.

Zur Sammlung von Daten wurden Experten befragt, die über einen guten Überblick über die Kooperationssituation von Mittelständler und Start-Ups besitzen. Hierzu wurden u.a. sogenannte Digital Hubs und Start-Up-Hubs gezählt, aber auch sogenannte Match-Maker, d.h. Personen, welche Start-Ups und Mittelständler zusammenbringen und Kooperationen betreuen. Diese wurden zunächst nach denen aus ihrer Sicht relevantesten Barrieren für die Bildung von Kooperationen und für die anschließende erfolgreiche Implementierung befragt. In Abb.1 werden die meistgenannten Barrieren phasenübergreifend grafisch dargestellt. Insgesamt lässt sich festhalten, dass die genannten Barrieren sicherlich ein gutes Bild darüber abgeben, warum die Anzahl an Kooperationen bislang noch vergleichsweise niedrig ist, aber auch warum viele Kooperationen nicht zufriedenstellend verlaufen. Die Gründe sind sehr vielfältig und in vielen Fällen mit Blick auf die Unternehmenscharakteristika auch nachvollziehbar. Trotzdem sollte festgehalten werden, dass viele Experten Vorteile in genau dieser Kooperationskonstellation sehen, trotz aller Hindernisse. So sei bei Mittelständlern aufgrund eines oftmals stärker ausgeprägten unternehmerischen Denkens oft ein größeres Verständnis für die Situation von Gründern vorhanden und auch Kommunikationswege seien kürzer als in der Zusammenarbeit mit Konzernen.

Abb.1: Übersicht über die meistgenannten Barrieren von Experten für die Findung & die erfolgreiche Implementierung von Kooperationen zwischen Mittelstand und Start-Ups

Mit Blick auf die Implementierungsphase und dem eigentlichen Thema der Arbeit ist auffällig, dass die meistgenannte Barriere in der Implementierungs- und Durchführungsphase die unterschiedlichen Unternehmenskulturen der potenziellen Kooperationspartner ist. Darüber hinaus wurde von allen Experten bestätigt, dass die Unternehmenskultur und das Organisationsklima eine große Relevanz für das Gelingen oder Nicht-Gelingen von derartigen Kooperationen besitzt.

Nicht nur auf Basis dieser Ergebnisse, sondern auch aufgrund unterstützender Ergebnisse anderer Studien wurde daher das Augenmerk auf den kulturellen und klimatischen Aspekt von Coupled-Open-Innovation-Beziehungen im weiteren Verlauf der Arbeit gelegt. Doch welche klimatischen Eigenschaften sind für die Durchführung von Kooperationen und Coupled Open Innovation überhaupt wichtig? Anhand einer intensiven Literaturrecherche lassen sich folgende klimatischen Eigenschaften für Unternehmen als besonders wichtig herausstellen: Risikobereitschaft, externer Fokus (bspw. Beobachtung von Markttrends), Reflexivität, sowie Innovation und Flexibilität.

Im Anschluss wurden die befragten Experten gebeten, einen Ist-Zustand (durchschnittliche Ausprägung der Dimensionen bei Start-Ups und Mittelständler aktuell) und einen Soll-Zustand (Idealzustand der Dimensionsausprägung für optimale Gestaltung einer Kooperation) der jeweiligen Dimensionen zu erstellen. Dies erfolgte durch eine Messung der Dimensionen anhand eines ausführlichen Fragekatalogs auf einer Skala von 1-5 (1=nicht ausgeprägt, 5=stark ausgeprägt). Die Ergebnisse werden in Abb.2 in einer Matrix veranschaulicht. Auffällig ist dabei, dass im Allgemeinen der Ist-Zustand der Mittelständler weiter vom Idealzustand der Dimensionen entfernt ist als es bei den Start-Ups der Fall ist. Bei Betrachtung der einzelnen Dimensionen lässt sich sagen, dass viele Mittelständler Verbesserungspotentiale im Bereich externer Fokus besitzen, Start-Ups hingegen oftmals im Bereich Reflexivität Nachholbedarf haben.

Abb. 2: Darstellung der Ist- und Soll-Werte (Idealzustand) der einzelnen klimatischen Dimensionen bei Mittelständlern und Start-Ups

Zum Abschluss der Arbeit wurden drei mittelständische Unternehmen, als auch zwei Start-Ups untersucht, die als Art Best Practice Unternehmen gesehen werden können. Alle Unternehmen verfügen bereits über Erfahrungen oder großes Interesse im Bereich von Kooperationen dieser Art. Auch sie wurden gebeten, die Dimensionen und ihre Ausprägung über den erstellten Fragekatalog in ihrem Unternehmen zu messen. Ein großer Teil der Unternehmen schloss überdurchschnittlich ab und lag über den Ist-Werten (d.h. durchschnittlicher Wert von Start-Ups/Mittelständler) der Experten. Es bietet sich daher an, einen genaueren Blick darauf zu werfen, wie die Unternehmen mit der Thematik umgehen, um hieraus eventuell bestimmte Eigenschaften zu entdecken, die auch in anderen Unternehmen angewendet werden können.

Zunächst ist auffällig, dass alle Mittelständler einen gesonderten Ansprechpartner oder Geschäftsführer besitzen, die der Thematik die benötigte Zeit eingeräumt haben oder sogar nur speziell an dieser Thematik arbeiten. Die Trennung vom operativen Geschäft kann dahingehend Sinn machen, damit die angesprochenen klimatischen Dimensionen so gestaltet und in der täglichen Arbeit gelebt werden können, wie für Kooperationen dieser Art nötig. Im Tagesgeschäft ist dies aufgrund der meist schlanken und effizienten Strukturen in mittelständischen Unternehmen, was auch für Start-Ups gilt, meist nur schwierig umsetzbar. Natürlich können spezielle Ansprechpartner, bspw. in Form von Innovationsmanager nur schwierig von kleinen Mittelständlern finanziert werden, weshalb sich die Integration meist erst ab rund 200-300 Mitarbeitern anbietet. Bei kleineren mittelständischen Unternehmen mit begrenzten finanziellen und zeitlichen Ressourcen kann bspw. die Nutzung von externen Dienstleister eine Möglichkeit darstellen. Die Risiken sind meistens geringer aufgrund der großen Expertise der Anbieter und Kosten müssen nur über einen bestimmten Zeitraum getragen werden. Zu guter Letzt sollten aber auch alle Mitarbeiter und nicht nur Geschäftsführer aktiv nach Kooperationsmöglichkeiten und Chancen Ausschau halten und dazu ermutigt werden, mögliche neue Geschäftsfelder und innovative Ideen in das Unternehmen einzubringen.

Auf Seiten der Start-Ups hingegen sollte noch mehr Verständnis für die Lage und das Verhalten von Mittelständlern gesammelt und aufgebracht werden. Eine Möglichkeit hierbei kann die Integration von Vertriebsmitarbeitern sein, welche selbst schon über Arbeitserfahrung in mittelständischen Unternehmen verfügen und somit Arbeitsabläufe und den Umgang mit diesen kennen. Auch realistische Einschätzungen hinsichtlich der Marktreife von eigenen Lösungen und Produkten hilft dabei, eine größere Vertrauensbasis seitens der Mittelständler aufzubauen.

Abschließend lässt sich festhalten, dass die Ergebnisse dazu genutzt werden können, um Unternehmen dabei zu helfen, Kooperationen dieser Art erfolgreicher zu gestalten. Die bereits gewonnenen Werte des Ist-Zustandes und des Idealzustandes können dabei als Referenzwerte fungieren. Insbesondere aufgrund der bislang immer noch niedrigen Kooperationszahlen ist es nämlich besonders schade, wenn Kooperationen nicht zufriedenstellend verlaufen und die Vielzahl an potenziellen Vorteilen von Kooperationen zwischen dem Mittelstand und Start-Ups nicht gänzlich ausgeschöpft werden.

Über Jan Fehlberg

Jan Fehlberg hat seinen Master in Betriebswirtschaftslehre an der WFI-Ingolstadt School of Management (KU Eichstätt-Ingolstadt) mit dem Schwerpunkt marktorientierte Unternehmensführung absolviert. In seiner Masterarbeit beschäftigt er sich mit der Thematik Coupled Open Innovation zwischen Mittelständler und Start-Ups und hat sich dabei insbesondere auf die Komponente des Organisationsklimas fokussiert. Während seines Studiums hat er u.a. Praktika bei Start-Ups (u.a. Homelike), aber auch bei Konzernen wie der Deutschen Bahn, AXA und der Allianz absolviert. Neben Praktika konnte er zudem Einblicke in die Forschung als wissenschaftliche Hilfskraft im Bereich des Innovationsmanagement gewinnen. Nach Beendigung seines Studiums begann er als Unternehmensberater im Inhouse Consulting der Allianz.

Über Ambivation

Ambivation verbindet innovative Unternehmen und Startups für Kooperationen und Innovationspartnerschaften. Dabei fördert Ambivation als Innovationsberatung und Matchmaker die Zusammenarbeit zwischen etablierten Unternehmen und Startups im Rahmen von konkreten Kunden-, Lieferanten- und Forschungspartnerschaften. Wir unterstützen Unternehmen bei der Bedarfsidentifikation, Startupidentifikation, Startupbewertung und Kooperationsanbahnung mit Startups. Dazu dienen Formate wie beispielsweise die Recherche von relevanten Startups, ein Startup-Monitoring, strategische Kooperationsberatung oder Eventformate wie Startup Touren. Unser monatlicher Newsletter informiert zudem über aktuelle Kooperationsbeispiele und Events.